In glänzender Form

Wenn wir Bayern und die angrenzenden böhmischen Gebiete besuchen, finden wir in dieser Kulturlandschaft Burgen und Schlösser, Herrensitze und prächtige Bürgerhäuser vor. Allerorts begegnen wir hier einer reich entwickelten Kultur, zu der auch Glaserzeugnisse als nicht wegzudenkender Bestandteil gehören. Das Glas prägt uns, es lehrt uns, das Handwerk zu achten, und es ist Ausdruck menschlichen Könnens. Heute stoßen wir bei jedem Schritt auf Glas. Das war nicht immer so. Deshalb sollten die Menschen aus unserer Region nicht vergessen, auf welche Schätze Bayern und Böhmen zurückblicken können. 

Glas oder Kristallglas ist seit seinen Anfängen immer ein einträglicher Handelsartikel gewesen. Die Anfänge der Glaserzeugung reichen 3000 Jahre zurück, die ersten Glasereien entstanden höchstwahrscheinlich in Alexandria. Anschließend verbreitete sich die Glasherstellung aus Ägypten in andere Teile der damaligen Welt. Es dauerte praktisch 1000 Jahre, bis man im Erzgebirge begann, Glas herzustellen; dort waren ergiebige Vorkommen von Quarzsanden und Kalkstein vorhanden, Rohstoffe, die für die Glaserzeugung unabdingbar sind.

Glas ist heute vor allem Ausdruck unseres Geschmacks oder einer praxisbezogenen Funktionalität. Vielleicht mag man sich manchmal fragen, wozu wir eigentlich so viele verschiedene Arten von Gläsern brauchen? Man denke nur an Wassergläser, Biergläser, Weingläser, Sektgläser und vieles mehr. Aber wir brauchen eigentlich überall Glas, es ergänzt das Design von Autos, die zum Beispiel bei Audi in Ingolstadt oder bei BMW in Dingolfing im benachbarten Bayern hergestellt werden. BMW errichtet gegenwärtig eine neue Teststrecke im Karlsbader Bezirk. Dort, wo es schnelle und gute Autos gibt, werden vielfach auch Wettrennen veranstaltet, und vielleicht werden die Sieger solcher Wettrennen im Karlsbader Bezirk ja Glaspokale erhalten. Gewiss wären das dann Pokale der legendären Glasmarke Moser, die bereits seit 160 Jahren echte Kultur auf dem Gebiet der Glaserei hervorbringt. 

Ein Glücksfall

Es leuchtet ein, dass die Marke Moser gerade in Karlsbad ideale Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung vorfand. Auch wenn es für sie eine Herausforderung sein musste, manche dramatischen Perioden des 20. Jahrhunderts zu überstehen. Es ist eigentlich ein Glück und grenzt an ein Wunder, dass kein diktatorisches Regime es wagte, diese Tradition zu zerstören, weder die nationalsozialistische Diktatur noch die nachfolgende kommunistische Diktatur. Der Gründer der Marke, Ludwig Moser, richtete im Zentrum von Karlsbad unweit der Marktkolonnade im März 1857 eine Glasschleiferei und ein Glasgeschäft ein. Er hatte das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet, als er den Grundstein für die Herstellung des heute weltberühmten Kristallglases legte, das seinen Namen trägt.

An der Glasproduktion können sich auch die berühmten Filmstars erfreuen, die jedes Jahr zu den Internationalen Filmfestspielen nach Karlsbad kommen. Kann man sich eine glamourösere Verbindung  als jene zwischen den Stars der Kinoleinwand und der kristallenen Schönheit aus den bekannten Glasfabriken oder den kleinen Glasmanufakturen vorstellen? Letztere wurden im Karlsbader Bezirk besonders durch die Herstellung von Bleiglas bekannt, das zum Beispiel die Innenausstattung von Kirchen oder Kurhäusern ergänzt. Die Familienmanufaktur des Ehepaares Kant in Lubenec (Lubens) pflegt die traditionelle Bleiglasherstellung bis heute und widmet sich auch intensiv der Restaurierung und Instandsetzung von Bleiglasfenstern in kirchlichen Denkmälern. Als Beispiel sei die verdienstvolle Instandsetzung der Kirche des Heiligen Ägidius in Libyně (Libin), einem Ortsteil von Lubenec, genannt.

Historische Bleiglasfenster sind in zahlreichen Kirchenbauten im Karlsbader Bezirk zu finden. Viele werden heute restauriert, zum Beispiel in der barocken Kirche des Heiligen Wenzel in Loket, deren heutige Bleiglasfenster am Beginn des 20. Jahrhunderts der Prager Glasmachermeister Kryšpín anfertigte. Von Loket ist es nicht weit nach Sokolov (Falkenau), in dessen Umgebung sich die Glasherstellung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert erfolgreich entwickelte. Es handelte sich vorwiegend um Tafelglas und anderes Gebrauchsglas, wie Glasverpackungen für Getränke. Wir können beim Glas also gewerbliche Ware, künstlerische Erzeugnisse und Industrieglas unterscheiden. Was das künstlerische Glas betrifft, waren es vor allem die Kurgäste, die bei den Heilquellen neben Porzellanbechern auch an Glasbechern Gefallen fanden. Der reiche und vornehme Kurgast erwartete sowohl bei den Fenstern als auch bei Weingläsern und bei den Bechern für die Trinkkuren die erlesenste Qualität. Auch das regte die Entwicklung der Glaskultur an.

Archäologische Forschungen ergaben, dass die frühesten Glashütten in den böhmischen Ländern aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen. Es handelte sich meistens um einen Komplex aus drei Öfen. Im größten Ofen wurde bei einer Temperatur von 1200 °C Glas geschmolzen, bei dieser Temperatur geht Quarz in Glasmasse über. Befeuert wurden die Öfen hauptsächlich mit Holz, was ein Grund dafür war, warum die gebirgigen Gegenden der Lausitzer Berge, des Adlergebirges und des Böhmerwaldes ideale Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Glasherstellung bildeten. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden aus den böhmischen Glashütten, die in diesen Gebieten entstanden waren, Glasproduzenten von europäischem Rang. Zur Glasherstellung gehören auch Korallen und Glasperlen, für die besonders Jablonec (Gablonz) berühmt wurde. Die „Gablonzer Bijouterie“ ist vielen ein Begriff. Das Glas drang also sehr früh in den Bereich der Mode vor und wurde besonders bei der Damenmode zum begehrten Accessoire. Das kulturelle und gesellschaftliche Leben geht schon seit Jahrhunderten Hand in Hand mit der Glaskultur und gibt ihr Impulse. 

Jaroslav Dolina

Vergangenheit und Zukunft – Glas im Fichtelgebirge

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts setzte die traditionsreiche Geschichte der Glasherstellung im Fichtelgebirge ein. Gebrauchsgegenstände und Schmuck, vornehmlich Perlen, Glasknöpfe und Gläser, später auch technisches Glas, wurden produziert und in viele Länder exportiert. Standorte der mittelalterlichen Produktionsstätten waren meist Waldglashütten im Gebiet rund um den Ochsenkopf und im Tal der Steinach. Hier gab es genug Holz zum Befeuern der Schmelzöfen und Wasser aus kleinen Bächen zum Kühlen der Schmelztiegel. 

Während die gewerbliche und künstlerische Glasherstellung im Fichtelgebirge aufgrund der internationalen Konkurrenz ihre Rentabilität weitgehend verloren hat, ist die Geschichte der industriellen Glasproduktion noch nicht zu Ende. So entwickelte die Weltfirma SiLi (Sigmund Lindner), Warmensteinach, ein Verfahren zur Herstellung massiver Glas- und Keramikkugeln für Rühr- und Mahltechnik. Vom winzigen Kügelchen bis zum hoch belastbaren Kugellager wird der unverwüstliche Werkstoff Glas in über 50 Länder verschickt. Zum Thema Glas gibt es verschiedene Informations- und Besichtigungsmöglichkeiten. Der 42 km lange „Glaswanderweg“ führt an ehemaligen Glashütten und Glasschleifereien vorbei und wird flankiert von drei kleinen Glasmuseen (Bischofsgrün, Warmensteinach, Weidenberg).