Die Kaiserpfalz mit dem markanten schwarzen Turm. Foto: Manfred Jahreiß

Cheb / Eger Die tausendjährige Stadt

Keine andere Stadt der Grenzregion kann sich so vieler ausgefallener Denkmäler und architektonischer Schätze rühmen wie Cheb (Eger). Und keine andere Stadt spiegelt die geschichtlichen Wechselbeziehungen zwischen hüben und drüben besser wider als das einstige Zentrum des Egerlandes.

1061 wird die Stadt erstmals urkundlich als Egire erwähnt. Ab 1374 ist auch die Bezeichnung Cheb gebräuchlich. Es handelt sich hierbei also nicht um eine Neubildung aus dem 20. Jahrhundert, wie sonst bei tschechischen Ortsnamen. Cheb geht auf „ohyb“, das alte Wort für den tschechischen Flussnamen Ohře, zurück. Der deutsche Name Eger und der tschechische Name haben eine gemeinsame Wurzel, das indogermanische Wort „Agria“, was soviel bedeutet wie „wildströmender Fluss“. Im vorliegenden Stadtporträt wird die Bezeichnung „Eger“ in historischen Bezügen genutzt und „Cheb“, wenn wir von der heutigen Stadt sprechen. 

Die Burgherren prägten die Geschichte der Siedlung. 1125 errichteten Markgrafen des bayerischen Nordgaus, die Grafen von Vohburg, die Schutzburg, an der Stelle einer älteren slawischen Anlage. Durch die Kolonisation kam somit auch das Egerland zum bayerischen Nordgau. 1167 erbten die Staufer die Burg, Kaiser Barbarossa ließ sie 1179 zur Pfalz ausbauen. Das bedeutete, dass der Kaiser auf der Durchreise von Nürnberg nach Prag hier residierte – die Kaiserpfalzen waren meist eine Tagesreise mit der Kutsche voneinander entfernt, die nächst gelegene Pfalz Richtung Nürnberg befand sich in Forchheim (Oberfranken). 

1242 erhält Eger das Nürnberger Stadtrecht und damit weitgehende Handelsprivilegien. Nach dem Aussterben der Staufer kommt die Reichsstadt Eger 1268 erstmals unter böhmische Hoheit. Aus ebendieser Zeit stammt auch der älteste noch erhaltene Häuserblock der Altstadt, der „Stöckl“, bei dem es sich um jüdische Kaufmannshäuser handelte. Diese haben auch die Stadtbrände von 1270 und 1809 überstanden.Europäische Geschichte ist im Zentrum allgegenwärtig. Der Marktplatz trägt den Namen des böhmischen Königs Jiří von Poděbrady (1420-1471), der als bekennender Europäer den ersten europäischen Föderationsplan mit 21 Artikeln erstellt hat. Der böhmische Feldherr Wallenstein, der im Dreißigjährigen Krieg u.a. Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee war, hielt sich fünf Mal in Eger auf und wurde hier 1634 wegen seines eigenmächtigen militärischen Vorgehens von kaiserlichen Offizieren ermordet. 

Der Ausbau der Altstadt zu ihrer heutigen Gestalt vollzog sich vor allem im 19. Jahrhundert, nach dem Brand von 1809. Mit dem Anschluss an die Bahnlinie Hof wurde Eger 1865 zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Zum Glück befand sich der Bahnhof nicht in unmittelbarer Nähe der Altstadt, sonst wäre das historische Zentrum von den Bomben des Zweiten Weltkriegs sicher nicht verschont geblieben. So aber präsentiert sich Cheb heute als ein bewundernswertes historisches Kleinod, in dem das moderne Leben pulsiert.

Spezial-Tipp: Die Doppelkapelle der Burg Eger

Nachdem Friedrich I. Barbarossa 1167 das Egerland erworben hatte, ließ er die Kaiserpfalz erbauen. Fast 1000 Jahre später ragt der Bergfried, der so genannte Schwarze Turm, noch kraftvoll in die Höhe. Vom Palas, einem repräsentativen Saalbau, ist nur eine Ruine übrig. Komplett erhalten ist dagegen die 1188 vollendete Doppelkappelle St. Erhard, ein äußerlich schlichter Bruchsteinbau mit faszinierender Ausgestaltung im Innern. Auf einem monumental-massiven Erdgeschoss ruht ein filigranes, frühgotisches Obergeschoss. Die Proportionen sind in beiden Stockwerke so harmonisch aufeinander abgestimmt, dass Erd- und Obergeschoss wie eine Einheit erscheinen. Die Kapelle ist nur von Anfang April bis Ende Oktober zugänglich, der Burghof kann ganzjährig besichtigt werden.

Auf Karls Spuren 

Im 9. Jahrhundert war das Verhältnis zwischen dem vergleichsweise jungen Stamm der Böhmen und den Franken ein gänzlich anderes als heute. Karl der Große versuchte vergeblich, Böhmen dem Frankenreich einzuverleiben. An die Macht kam ab dem Ende des 9. Jahrhunderts jedoch das Herrschergeschlecht der Přemysliden (tschechisch Přemyslovci). Mit ihm ist mütterlicherseits der prominenteste König der Böhmen verwandt: Karl IV. (1316-1378). Unter seiner Herrschaft umfasste Böhmen auch das heutige Mittel- und Oberfranken sowie die Oberpfalz. Kaiser Karl IV. war es zudem, der die Via Carolina zwischen Prag und Nürnberg, die sogenannte Goldene Straße, als Handelsroute ausbauen ließ. Wer von Prag Richtung Westen unterwegs war, sollte dabei immer auch durch Eger kommen. Karls Aufenthalte in der Stadt sind alle dokumentiert. Demnach hat er Eger sechsmal besucht und sich dabei in der Kaiserpfalz aufgehalten.

Kultur

Das Stadtmuseum ist mit rund 100.000 Objekten und Sekundärmaterial zur Geschichte des Egerlands eines der wichtigsten Museen in Westböhmen. Ein Teil der Sammlung widmet sich ausführlich Albrecht von Wallenstein. Der Feldherr wurde in demselben Gebäude, in dem sich heute das Stadtmuseum befindet, dem ehemaligen Stadt- oder Pachelbelhaus, am 25. Februar 1634 ermordet.

Das Retromuseum am Marktplatz veranschaulicht den Alltag im Sozialismus von 1960 bis zur Wende 1989. Von Büro- und Wohnungseinrichtungen über Fahrzeuge und Architektur bis zu alltäglichen Gegenständen und ambitionierten Design-Klassikern spannt die Schau einen weiten, ebenso unterhaltsamen wie informativen Bogen.

Im dominanten Gebäude des Neuen Rathauses aus den 1720er Jahren befindet sich heute die Städtische Galerie GAVU Cheb. In den Dauerausstellungen sind gotische Holzskulpturen aus Böhmen und moderne Kunst aus Tschechien vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart zu sehen. Auf sehr hohem Niveau sind auch die wechselnden aktuellen Ausstellungen angesiedelt. Die Städtische Galerie und das Retromuseum lassen sich mit einer gemeinsamen Eintrittskarte besichtigen.

Die 1985 gegründete Galerie 4 war die erste Fotogalerie Tschechiens. Sie befindet sich in einem umgebauten Speicher, der bereits als solcher sehens-wert ist. Pro Jahr finden 12 bis 14 Ausstellungen statt. 

Wer sich vor oder nach einer Sightseeing-Tour schlau machen möchte über Sehenswürdigkeiten der Stadt, findet im Internet die interaktive Enzyklopädie. Hier stehen nicht nur Texte und Bil-der, sondern auch Videos, Audioaufzeichnungen, interessante Archivalien sowie verschiedene thematische Routen zur Auswahl. Der Besucher kann sich auch seine eigene Route zusammenstellen (auf der Seite „Meine Enzyklopädie“) Link zur Startseite: encyklopedie.cheb.cz/de/

Die Führung „Historische Dachstühle“ eröffnet Einblicke in prächtige Patrizierhäuser am Marktplatz. Charakteristisch sind die geräumigen Lagerräume unter dem Dach, Meisterwerke der Egerer Zimmerleute. Anmeldung bei der Tourist-Information Cheb.

Veranstaltungen

Seit 1970 veranstaltet Cheb das größte internationale Festival der Jugendblasorchester mit Ausflügen der Gruppen in die Region (Karlovy Vary, Mariánské Lázně, Františkovy Lázně, Sokolov) und in das bayerische Grenzland (Marktredwitz, Waldsassen). Zentraler Veranstaltungsort ist der Marktplatz von Cheb. Ende Juni bzw. Anfang Juli, jedoch nur in allen geraden Kalenderjahren

Die Wallenstein-Festspiele sind, auch wenn man kein Tschechisch versteht, ein interessantes Erlebnis. 100 Darsteller aus dem ganzen Land reisen an, um historische Ereignisse der Stadtgeschichte nachzustellen. Höhepunkt ist die fiktive Schlacht um Eger am Samstagnachmittag. Am letzten August Wochenende, jedoch nur in ungeraden Kalenderjahren.

Für Jazzfreunde ist das zweitägige Festival Jazz Jam Cheb im Kulturzentrum Svoboda ein Tipp. Zu Gast sind viele angesagte Jazzbands aus dem ganzen Land. Am zweiten Oktoberwochenende.

Zur Adventszeit ist Cheb ein beliebtes Ausflugsziel. Der schön gestaltete Weihnachtsmarkt wartet mit Spezialitäten, Kunsthandwerk, einer Eisbahn und einer Showbühne auf.

Grenzübergreifend

Im Zuge der „Grenzenlosen Gartenschau Marktredwitz/Cheb“ ist in Cheb 2006 das zentrumsnahe Erholungs- und Sportgelände „Krajinka“ entstanden. Direkt an der Eger gelegen umfasst es Spazier- und Radwege, Kinderspielplätze sowie diverse „Spielplätze“ für Jung und Alt (z.B. Minigolf, Tischtennis, Streetball, Klettern). 

Chebs Partnerstadtin Bayern ist Hof. Seit 2017 findet einmal im Jahr ein Deutsch-Tschechischer Freundschaftstag statt, bei dem sich in der Hofer Altstadt deutsche und tschechische Freizeitbetriebe präsentieren, umrahmt von Blasmusik und typischen Spezialitäten. Ende April.

Ausflugsziele in der Umgebung

Seit der Grundsteinlegung für die Gnadenstätte Maria Loreto und den 27 Stationen umfassenden Kreuzweg im Jahre 1664 pilgerten viele Egerländer, Fichtelgebirgler und Oberpfälzer aus dem Stiftland nach Starý Hrozňatov (Altkinsberg). Ende der 1940er Jahre, nach der Machtübernahme durch die Kommunistische Partei in der Tschechoslowakei, begann der Verfall des Wallfahrtsortes. 1992 wendete sich das Blatt: Ein eigens gegründeter Förderverein aus der bayerischen Grenzstadt Waldsassen kümmerte sich in Zusammenarbeit mit den tschechischen Behörden um die Renovierung und den Neuaufbau der verfallenen Gebäude. 

Die Stadt Luby (Schönbach) stieg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem Zentrum des Geigenbaus auf. Anfang des 20. Jahrhunderts waren in dem Handwerk, das außerordentliche Feinarbeit erforderte, rund 1500 Menschen beschäftigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich die vertriebenen Geigenbauer in Bubenreuth bei Erlangen (Mittelfranken) an. Seit dem Ende des Sozialismus gibt es auch in Luby wieder mittelständische Instrumentenbauer. Die städtische Geigenbauschule wurde 2005 nach Cheb verlegt.